Erich Fenninger & Judith Ranftler / Volkshilfe Österreich
Armut – eine individuelle Lebenslage sowie ein sozialstrukturelles Moment sozialer Ungleichheit – trifft Kinder unmittelbar. Soziale Arbeit kennt die Problemlagen von Kindern wie keine andere Profession. Die Aufhebung von Armut kann nur durch eine strukturelle Lösung bewältigt werden. Wir möchten mit dem Projekt „Kinderarmut abschaffen“ zeigen, dass die Beendigung von Kinderarmut keine Utopie ist.
Vision und Forschungsprojekt Kindergrundsicherung
Während sich in der Praxis Sozialer Arbeit das Problembewusstsein erschloss, entwickelte die Volkshilfe eine sozialpolitische Lösung: Im Herbst 2018 wurde das Forschungsprojekt Kindergrundsicherung gestartet. Bei neun Familien wird seitdem Monat für Monat materielle Deprivation aufgehoben und die sich dadurch ergebenden Veränderungen sozialwissenschaftlich begleitet. So wird zukunftsorientierte Soziale Arbeit und sozial-wissenschaftliche Forschung direkt miteinander verbunden und der Forschungsfrage nachgegangen, wie sich die Aufhebung von Armut auf Kinder auswirkt.
Methodik
Mit Hilfe von Interviews und sozialwissenschaftlichen Diagnostikinstrumenten werden die kindlichen Wahrnehmungen von Armut erhoben und die Veränderungen über den Projektzeitraum dokumentiert. Die Prozesse werden anhand von Methoden qualitativer Sozialforschung analysiert.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse der Forschung veranschaulichen, wie sich die Veränderungen für Kinder anfühlen können: „Gestern haben wir sogar Hotdogs gemacht. Das, was wir sonst normalerweise nur an besonderen Tagen essen, aber gestern haben wir es mal einfach so gemacht.“ (Bub, 10 Jahre)
Fazit
Die Präsentation wird verdeutlichen, dass Kinderarmut in Österreich der Vergangenheit angehören und die Zukunft von sozialer Gerechtigkeit geprägt sein kann. Jedem Kind alle Chancen.
Irene Messinger / FH Campus Wien
Nach dem 1. Weltkrieg entstand in der jungen Republik ein vielfältiges Sozialsystem, das vor allem in Wien immer besser ausgebaut wurde („Rotes Wien“). In den Krisen-Zeiten des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus veränderte sich vieles: 1938 wurden manche Fürsorgeeinrichtungen oder auch private Ausbildungsstätten geschlossen, jüdische und/oder politisch unliebsame Fürsorgerinnen entlassen. Bislang wurde kaum danach gefragt, wie die Fürsorgerinnen ihre Zeit der Verfolgung verbrachten. Während die meisten Berufsgruppen die Geschichte ihrer Entrechtung, Verfolgung, Vertreibung und Ermordung oder des Exils bereits aufgearbeitet haben, ist es höchste Zeit, dies für die Berufsgruppe der Fürsorgerinnen aufzuholen. Das einjährige Forschungsprojekt aus der Perspektive der Exilforschung und der Zeitgeschichte hat die explorative Erschließung von Biografien jener ausgebildeten Fürsorgerinnen zum Ziel, die beruflich in der Fürsorge tätig und in der Zeitspanne 1938-1945 verfolgt waren.
Mit den Methoden der Biografieforschung wird in vergangene Zeiten vorgedrungen. Da kaum noch Zeitzeug*innen befragt werden können, wird vor allem in Archiven recherchiert, um anhand von Verwaltungsdokumenten und bestehender Literatur die Lebensdaten nachzeichnen zu können. Zudem wurden international Nachkommen gesucht, welche sich die Zeit nahmen, um der Forschung weitere Quellen zur Verfügung zu stellen. Manche Dokumente kehren so (in Kopie) erstmals wieder nach langer Zeit nach Wien zurück. Anhand ausgewählter Kurzbiographien wird ein Einblick in die Praxis der Fürsorge gegeben und der biografische Bruch durch den Nationalsozialismus herausgearbeitet. Die Personen stehen stellvertretend für Gruppierungen, die basierend auf ihrer Ausbildung (z.B. Schönbrunner Erzieherschule, Psychoanalyse), ihrer politischen und/oder rassistisch motivierten Verfolgung (z.B. Kommunistinnen, Jüdinnen,...) oder ihrer letzten Arbeitsstelle (IKG Fürsorge, Hilfsstelle für nichtarische Katholiken, Settlement) zusammen gestellt wurden. Viele Probleme der damaligen Fürsorge (geschlechtsspezifische Hierarchien, schlechte Bezahlung, fragliche Anerkennung von Erfahrungswissen, usw.) scheinen zeitlos.
Die Projektlaufzeit endet im März 2021. Im Zuge der ogsaTAGUNG kann ein Einblick in dieses fehlende Stück Professionsgeschichte der Sozialen Arbeit gegeben werden. Eine Publikation ist für 2022 anvisiert.
Florian Zahorka / FH St. Pölten
Gegenständlicher Beitrag befasst sich vor dem Hintergrund der seit Jahren vollzogenen Rücknahme der Erwachsenensozialarbeit mit den Verschiebungen sozialer Problemstellungen in das Gesundheitssystem. Dort, wo Klinische Sozialarbeit im intramuralen Versorgungssystem etabliert ist, gilt sie als wesentliche Unterstützung in der Erreichung und späteren Rekonvaleszenz ihrer Klient*innen. Sie sieht als Adressat*innen Menschen, die aufgrund eines unausgewogenen biopsychosozialen Ressourcen-Belastungsverhältnisses ihre Handlungsfähigkeit verlieren.
Jedoch beschränkt sich klinische Sozialarbeit in ihrem Tätigkeitsfeld vielfach rein auf intramurale, stationäre Kontexte, fernab der Lebenswelt der Klient*innen. Plötzlich auftretende manifeste oder latente biopsychosoziale Krisen, die einer raschen, mobilen Intervention bedürfen, werden ausgeklammert. Sozialarbeiter*innen in Notaufnahmen gibt es nach Kenntnis des Autors nicht, Nacht- und Wochenenddienste sind im intramuralen Kontext ebenso nicht vorgesehen.
Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, welche praktischen Anforderungen an Akutsozialarbeit gestellt werden und welche Modelle von Akutsozialarbeit bereits existieren.
Das Projekt Akutsozialarbeit an der FH St. Pölten befasste sich über zwei Semester hinweg mit dem Themenfeld, woraus 13 Bachelorarbeiten zu unterschiedlichen Fragestellungen entstanden. Zusätzlich fließen Erkenntnisse aus einem Forschungsaufenthalt von 2017 in Colorado Springs mit ein. Vorliegender Beitrag versucht eine Synthese und stellt sich auf Basis vorangegangener Forschungen die Frage, welche Möglichkeiten und Herausforderungen eine weiterführende Umsetzung darstellt.
Akutsozialarbeit erweitert insbesondere die Interventionsmöglichkeiten klinischer Sozialarbeit im extramuralen Bereich und beschreibt sich als „eine rund um die Uhr erreichbare und bei Bedarf rasche mobile Interventionsstrategie, um Situationen durch persönlichen Kontakt mit Betroffenen zu klären. “ Sozialarbeit wird dadurch für Klient*innen zum Zeitpuffer, um angesichts manifester oder latenter Krisen Ressourcen zu aktivieren, und gemeinsam an der Stabilisierung des Lebensumfeldes mitzuwirken. Angesichts bestehender Ressentiments in der Fachcommunity gilt es zu diskutieren, inwiefern oder ob Akutsozialarbeit seiner Zeit zu weit voraus ist, ob sie lediglich als Substitut fehlender anderer Angebote Sozialer Arbeit gilt, oder ob sie tatsächlich positive Veränderungen für Menschen erreichen kann.