ogsaTAGUNG 2019: Panel 1

Psychosoziale Situation von Betroffenen des Frauenhandels [Anne Allstadt]
Beschreibung Ein sich kontinuierlich verschärfendes Klima der Ausgrenzung marginalisierter Menschen steht den Bemühungen engagierter zivilgesellschaftlicher und professioneller Akteur*innen gegenüber, deren Handlungsspielraum durch politische Entscheidungen – wie beispielsweise Kürzungen der Budgets von Frauenvereinen durch das Frauenministerium und strafrechtliche Rahmenbedingungen – massiv beschnitten wird.
Die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, gepaart mit den Einblicken in die Lebenswelten von Menschenhandel betroffener Frauen* im Zuge meiner beruflichen Praxis, führten dazu, dass ich mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit folgender Fragestellung auseinandersetze:
Welche Möglichkeiten der sozialen Unterstützung bieten sich der Klinischen Sozialen Arbeit, um zur Verbesserung der psychosozialen Situation von Betroffenen des Frauenhandels beizutragen?
Ehemalige Klientinnen der Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel (LEFÖ-IBF) wurden gefragt, welche Unterstützungsleistungen während der Anbindung an professionelle Strukturen verfügbar waren und wie sie diese wahrgenommen haben. Ein qualitatives Forschungsdesign – die Durchführung problemzentrierter Interviews und eine Qualitative Inhaltsanalyse – erlaubten dabei, das subjektive Erleben der Frauen* in den Mittelpunkt zu stellen.
Eine Systematisierung der Unterstützungsleistungen ermöglichte eine differenzierte Darstellung der Effekte und Ebenen, auf welchen diese wirksam werden können. Darüber hinaus wird Traumatisierung im psychosozialen Kontext und deren prozessuale Komponente einer genaueren Betrachtung unterzogen.
Die Ergebnisse zeigen, dass neben den Unterstützungsleistungen seitens der Professionist*innen, der Unterstützung des Sozialen Netzwerks eine wichtige Rolle bei der Bewältigung des Erlebten zuteilwird. Positive als auch negative Aspekte von Unterstützung wurden differenziert herausgearbeitet und so Implikationen für die Praxis abgeleitet.
Im Zuge dessen wurde beleuchtet, über welche Möglichkeiten die Klinische Soziale Arbeit bezüglich der Ausgestaltung psychosozialer Unterstützungsprozesse verfügt und die Notwendigkeit eines umfassenden diagnostischen Fallverstehens belegt. Eine trauma- und bindungssensible Haltung der involvierten Akteur*innen kann als unbedingt erforderlich beschrieben werden, um adäquate Angebote zu machen und einen gelingenden Unterstützungsprozess zu initiieren. Der Klinischen Sozialen Arbeit wird dabei einerseits der Auftrag zuteil, eine moderierende Funktion einzunehmen und zugleich zur Sensibilisierung der Umgebungsgesellschaft für die Lebensrealitäten von Betroffenen beizutragen.
Vortragende Anne Allstadt
Kurzbeschreibung Vortragende Kultur- und Sozialanthropologin (BA)
Klinische Sozialarbeiterin (MA)
Parallel zum Masterstudium als Betreuerin bei der Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel (LEFÖ-IBF) beschäftigt. Derzeit bei der Suchthilfe Wien GmbH tätig.
Wer war ich, wer bin ich, wer soll ich sein? Kulturelle Identitäten von Jugendlichen mit Fluchterfahrung. Eine qualitative Studie in der offenen Jugendarbeit [Birgit Mohr]

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Wer war ich, wer bin ich, wer soll ich sein? Kulturelle Identitäten von Jugendlichen mit Fluchterfahrung. Eine qualitative Studie in der offenen Jugendarbeit [Birgit Mohr]

Beschreibung Hintergrund:
In den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche Menschen auf die Flucht begeben, unter ihnen auch viele Jugendliche mit und ohne ihre Eltern. Zum Fluchterlebnis und dessen Folgen kommt im Ankunftsland die Konfrontation mit einer neuen Kultur hinzu - die Jugendlichen werden vor zusätzliche Herausforderungen gestellt, wie beispielsweise das Erlernen einer neuen Sprache oder die Notwendigkeit, sich ein neues soziales Netzwerk aufzubauen.
Das Forschungsinteresse der im Sommer 2017 beendeten Masterarbeit liegt darin, herauszufinden, in welcher Weise Jugendliche mit Fluchterfahrung kulturelle Identitäten entwickeln und welche Handlungsmöglichkeiten es für die Soziale Arbeit in der Offenen Jugendarbeit gibt, diese Identitätsentwicklung positiv zu beeinflussen.
Das theoretische Fundament der Arbeit bilden u.a. die Cultural Studies (vgl. Hall 2000; Bhabha 1990), das Konzept der Dominanzkultur (vgl. Rommelspacher 2000) oder die rassismus- und diskriminierungskritische Soziale Arbeit (vgl. Melter 2013).Methodik:
Im Rahmen einer qualitativen Forschung wurden Expert*innen (Sozialarbeiter*innen der Offenen Jugendarbeit) sowie Jugendliche mit Fluchterfahrung mit Hilfe von leitfadengestützten Interviews befragt. Die Auswertung erfolgte anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015).Ergebnisse:
Durch die Analyseergebnisse wird die große Bedeutung der Sozialen Arbeit für Jugendliche mit Fluchterfahrung erkennbar. Sie bildet ein erstes Auffangnetz nach der Flucht und nimmt u.a. Beratungs- und Vermittlungsfunktionen ein. Zusätzlich lassen sich auf sozialarbeitswissenschaftlicher Ebene Handlungsmöglichkeiten in der Jugendarbeit ableiten, wodurch in der Praxis entsprechende Anknüpfungspunkte für einen professionellen Umgang dem herausfordernden Themenbereich Flucht geschaffen werden. Die Offene Jugendarbeit legt Schwerpunkte auf ressourcenorientierte und niederschwellige Ansätze.
Jugendliche mit Fluchterfahrung entwickeln im Ankunftsland mehrkulturelle bzw. hybride Identitäten, eignen sich also Aspekte der neuen Kultur an, während sie gleichzeitig Elemente ihrer Herkunftskultur beibehalten.
Dadurch entsteht ein sog. dritter Raum (vgl. Bhabha 1990), in dem neue Gemeinschaftsformen denkbar werden und vielfältige Identifikations- und Handlungsmöglichkeiten entstehen, mit deren Hilfe die Soziale Arbeit die kulturelle und gesellschaftliche Inklusion der Jugendlichen fördern kann.Schlüsselbegriffe:
Inklusion, neue Gemeinschaftsformen, kulturelle Identität, Hybridität
Vortragende Birgit Mohr
Kurzbeschreibung Vortragende  - Bachelorstudium der Sozialen Arbeit an der FH Vorarlberg, abgeschlossen 2015
- Masterstudium der Interkulturellen Sozialen Arbeit an der FH Vorarlberg, abgeschlossen 2017
- Praxiserfahrung in der Flüchtlingshilfe (2014-2016): Betreuung und Beratung von Einzelpersonen und Familien
- Praxiserfahrung in der Offenen Jugendarbeit Dornbirn (seit 2016): Schwerpunkte Mobile Jugendarbeit und Mädchen*arbeit
Inklusions- und Exklusionspraxen im Kontext aktueller Migrationsbewegungen. Einbindungsverläufe von nach Österreich geflüchteten Menschen [Katharina Auer-Voigtländer]

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Inklusions- und Exklusionspraxen im Kontext aktueller Migrationsbewegungen. Einbindungsverläufe von nach Österreich geflüchteten Menschen [Katharina Auer-Voigtländer]

Beschreibung Das gegenständliche Projekt beschäftigt sich mit Inklusions- und Exklusionsprozessen von anerkannten Flüchtlingen und bietet einen Überblick über die Ausgestaltung gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse der Aufnahmegesellschaft sowie exemplarische Einbindungsverläufe von Zuwander*innen mit Fluchterfahrung.
Die forschungsleitenden Fragestellungen befassen sich mit Fragen nach gemeinwesenbezogenen Inklusions- und Exklusionsprozessen, bezugnehmend auf anerkannte Flüchtlinge sowie einer vertiefenden Auseinandersetzung mit dem subjektiven Erleben von Betroffenen. Mit besonderem Fokus auf die diesbezügliche Rolle von Sozialer Arbeit wurden u.a. auch Fragen nach der Rolle von Sozialer Arbeit bezogen auf Inklusions- und Exklusionsprozesse, sowie dem Potential dieser zur Förderung und Unterstützung von eben diesen Prozessen, gestellt. Dem Forschungsprojekt liegt ein qualitatives Forschungsdesign zu Grunde, welches sich an dem methodischen Vorgehen der Grounded Theory sowie dem theoretischen Sampling orientiert. Für den Feldeinstieg wurde eine explorative Herangehensweise durch teilnehmende Beobachtungen gewählt. Neben direkten Interaktionen im Feld wurden Erhebungen vorwiegend mittels qualitativer fokussierter Interviews durchgeführt. Die Datenauswertung erfolgte fragestellungsbezogen mittels kategorisierender bzw. rekonstruktiver Analyseverfahren.
Zentrale Analyseergebnisse zeigen u.a., dass Interaktionen, die den Inklusions- und Exklusionsprozessen zu Grunde liegen, einer fast apodiktischen Prämisse unterliegen, die angelehnt an Stephan Wolffs Verständnis über das „private Helfen“ als Interaktionen zur Herstellung von Fürsorglichkeit zu verstehen sind. Am Beispiel von heterogenen Positionierungen und Interaktionen unterschiedlicher Akteur*innen im Gemeinwesen wurde herausgearbeitet, dass geflüchtete Personen vornehmlich als Kommunikationsmedium fungieren, um den jeweiligen eigenen Status im sozialen Kontext auszuhandeln. Die tatsächliche Einbindung geflüchteter Personen spielt hierbei eine untergeordnete Rolle. Weiters zeigt sich, dass anerkannte Flüchtlinge in ihrem alltäglichen Handeln hochgradig handlungsfähig und handlungsmächtig agieren. Hierbei kommen individuelle Handlungsstrategien (wie Aneignung von Sprachkompetenzen, Selbstpositionierungen, Verfolgung von stringenten Lebensentwürfen, etc.) zum Tragen. Der Grad der Handlungsfähigkeit wird hierbei durch die eigene Sprachkompetenz befördert. Sprache sowie die damit implizierte Handlungsmächtigkeit fungieren als Differenzierungskriterium unter geflüchteten Personen. Das Projekt bietet vielfältige Einblicke in die Ausgestaltung von Inklusions- und Exklusionspraxen sowie Positionierungsprozessen von nach Österreich geflüchteten Personen.
Vortragende Katharina Auer-Voigtländer
Kurzbeschreibung Vortragende Katharina Auer‐Voigtländer ist Sozialwissenschaftlerin sowie Sozialarbeiterin und arbeitete
schwerpunktmäßig an Forschungsprojekten im Bereich der Migrations‐ und Integrationsforschung. Im Rahmen ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit Subjektpositionierungen und Einbindungsprozessen im Rahmen aktueller Migrationsbewegungen.
Kritisch-reflexive Bildung in der Sozialen Arbeit in der Migrationsgesellschaft [Helga Moser]

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Kritisch-reflexive Bildung in der Sozialen Arbeit in der Migrationsgesellschaft [Helga Moser]

Beschreibung Moderne Gesellschaften sind durch die vielfältige Zusammensetzung ihrer Bevölkerung gekennzeichnet. Migrationsbewegungen in der Vergangenheit und Gegenwart sind ein Grund für diese Heterogenität. Dies ist auch für die Soziale Arbeit von Bedeutung, da sich die Vielfalt auch in der Zusammensetzung der Klient*innen widerspiegelt. Damit entsteht die Notwendigkeit, dass Sozialarbeiter*innen einerseits auf die komplexen und vielfältigen Lebenswelten der Nutzer*innen eingehen. Und sich andererseits auch mit ihrer eigenen Position(ierung) in der Migrationsgesellschaft auseinandersetzen. Um dieser Herausforderung zu begegnen, sind in der Aus- und Fortbildung von Fachkräften in Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit diversitätsbewusste Kompetenzen und diskriminierungskritische Zugänge erforderlich.
In Mainstreamdiskursen vorherrschende Konzepte der interkulturellen Kompetenzen sollten um Diversitätsorientierung und diskriminierungskritische Perspektiven erweitert werden. Die Gründe für Benachteiligung und Ungleichheit in der Gesellschaft im Allgemeinen und insbesondere in der Bevölkerung mit einem sogenannten „Migrationshintergrund" liegen nicht in der „Kultur“ der Migrant*innen, sondern im Sinn einer intersektionalen Perspektive in einer Schnittstelle von Kategorien wie Geschlecht, Klasse, Religion, Alter, Hautfarbe, usw., die auf mehreren Ebenen interagieren und so die komplexen Lebenswelten der Nutzer*innen widerspiegeln und anerkennen.
Für die Entwicklung von kritisch-reflexiven Bildungssettings werden Konzepte der Diversity-bewussten Sozialen Arbeit (Leiprecht 2011), Social Justice and Diversity (Adams / Bell 2016; Czollek et al 2012) sowie Ansätze aus der Rassismuskritik (Mecheril et al 2010; Scharathow/Leiprecht 2011) bzw. Critical Whiteness (Thißberger 2017) bezüglich ihren Potentiale ausgelotet. Darüber hinaus werden einerseits Erfahrungen in non-formalen (Fortbildungen für psycho-soziale Fachkräfte) und formalen (universitären) Bildungssettings, andererseits erste Zwischenergebnisse des Forschungsprojekts „Konstruktion und Dekonstruktion von Differenz in der Sozialen Arbeit“ eingebracht.
Vortragende Helga Moser
Kurzbeschreibung Vortragende Mag.a Helga Moser ist Mitarbeiterin am Institut für Soziale Arbeit der FH Joanneum in der Forschung und Lehre (Bachelor und Master). Studium der Pädagogik und Geschichte an den Universitäten Graz und Maynooth/Irland. Forschungsschwerpunkte: Migration, Flucht & Soziale Arbeit, rassismuskritische Bildung, Differenzdiskurse, qualitative Sozialforschung. Langjährige Tätigkeiten in NGOs im Bereich Migration